Alexander Heinrich Rietzschel wurde in dem wunderschönen Dresden, auch bekannt als das "Elbflorenz des Ostens", in eine gutbürgerliche Familie hineingeboren. Er erlernte den Beruf des Feinmechanikers und Optikers bei Carl Zeiss in Jena und absolvierte die Schulung unter Werkmeister August Löbe.
Nach erfolgreichem Abschluss seiner Lehre im Jahr 1886 zog er nach München und arbeitete zunächst beim angesehenen Objektivhersteller C.A. Steinheil, später dann bei G. Rodenstock. Im Jahr 1896 wagte Alexander Heinrich Rietzschel den Schritt in die Selbstständigkeit und gründete seine eigene Firma mit dem Namen "Optische Anstalt A. Hch. Rietzschel GmbH" in der Gabelsberger Str. 36/37 in München. Anfangs spezialisierte er sich auf die Herstellung von Kameraobjektiven.
Der große Erfolg des Unternehmens von Alexander Heinrich Rietzschel beruhte maßgeblich auf dem Objektiv "Linear 4,5". Im Jahr 1898 erhielt er das erste Patent für dieses Objektiv. Ab 1900 begann er mit dem Bau der Kamera "Clack 1900" und änderte den Firmennamen in A. Hch. Rietzschel G.m.b.H., Fabrik fotografischer Apparate und Objektive. Bereits im Jahr 1901 beschäftigte das Unternehmen etwa 100 Mitarbeiter. Im Jahr 1905 erhielt Rietzschel ein Patent für ein Ganzmetallgehäuse einer Fotokamera.
1912 wurden die Werkstätten des Unternehmens in die Aberlestraße 7 in München verlegt. Bereits im Jahr 1914 wurden dort fünfzehn verschiedene Kameramodelle hergestellt. Das Patent für das Ganzmetall-Kameragehäuse von 1905 brachte dem Unternehmen einen großen Durchbruch und etablierte es als einen der führenden Kamerahersteller. Es stand eine Vielzahl von selbst hergestellten Objektiven für alle Modelle zur Verfügung.
Nach dem Ersten Weltkrieg geriet das Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Im Jahr 1921 erwarben die Farbenfabriken Bayer 80 % der Firmenanteile von Rietzschel, allerdings mit nur halbem Stimmrecht. Die restlichen Anteile gingen 1924 ebenfalls an Bayer, die den Kaufmann Bruno Uhl zum Direktor ihrer Münchner "Camera-Werke" ernannten. Im Zuge der Gründung der I.G. Farben AG wurde im Dezember 1925 der gesamte Fotobereich von Bayer der Agfa zugeordnet.
Mit der Gründung der I.G. Farben AG am 10. Dezember 1925 kamen alle fotografischen Produktionen zu Agfa, somit auch die Optische Anstalt, die man in "Agfa Kamerawerk München " umbenannte, die Kameras trugen den Agfa-Namen, nur die Objektive wurden noch eine Weile mit "Rietzschel" bezeichnet.
Alexander Heinrich Rietzschel begab sich 1926, inzwischen 66-jährig, in den Ruhestand.
1939 verstarb er im Alter von 79 Jahren wohl in München.
Agfa: Eine Geschichte der Innovation und des Untergangs
Im Jahre 1896 wurde die Optische Anstalt von Alexander Heinrich Rietzschel gegründet, ein Unternehmen, das sich auf die Herstellung von Kameras spezialisierte. Die Anfänge waren bescheiden, aber das Unternehmen wuchs und beschäftigte zu Beginn des Ersten Weltkrieges rund 200 Mitarbeiter.
Jedoch änderte sich das Schicksal der Kamerawerke während des Krieges, da sie keine Rüstungsgüter herstellten und somit keine Unterstützung von der Regierung erhielten. Nach Kriegsende musste Rietzschel einen herben Rückschlag verkraften und die Belegschaft wurde drastisch reduziert.
Doch in dieser schwierigen Zeit trat ein junger Kaufmann namens Bruno Uhl auf den Plan. Uhl hatte zuvor in der fotografischen Abteilung der Bayer AG in Leverkusen gearbeitet und besaß großes Potenzial. Er erkannte die Chance, die Kamerawerke wieder auf Erfolgskurs zu bringen.
Durch seine geschickte Leitung gelang es Uhl, die Jahresproduktion von Kameras deutlich zu steigern. Die Bayer AG erkannte sein Talent und erwarb schließlich 1924 den vollständigen Anteil am Kamerawerk. Uhl wurde zum Direktor ernannt und die Produktion erreichte beeindruckende Zahlen: 10.700 Kameras wurden jährlich von einer wachsenden Belegschaft von 250 Mitarbeitern hergestellt.
Bruno Uhl selbst zog nach Berlin, um dort als Leiter der Abteilung "Fotoverkauf Deutschland" tätig zu sein. Dort entwickelte er aufsehenerregende Werbekampagnen, die die Marke Agfa bekannt machten und den Absatz ankurbelten. In München übernahm Oskar Becker die Position des Direktors, nachdem er zuvor als Betriebsleiter in Berlin erfolgreich gewesen war.
Agfa expandierte weiter und führte die revolutionäre Agfa-Box ein. Um den Markt zu testen, startete eine große Werbeaktion in England, bei der die Zeitung "Daily Herald" eine große Anzahl von Agfa-Boxen verteilte. Die Aktion war ein großer Erfolg, obwohl die Fotohändler anfangs verärgert waren. Die Nachfrage nach den passenden 120er Rollfilmen war enorm und die Lagerbestände wurden schnell aufgebraucht.
Nach dem Zweite Weltkrieg brachte erneut Herausforderungen mit sich. Die Agfa-Fabriken waren in verschiedenen Besatzungszonen, was eine enge Zusammenarbeit erschwerte. Dennoch schafften es alle Fabriken, ihre Produktion wieder aufzunehmen, und sogar in der sowjetischen Besatzungszone wurde der Name "Agfa" verwendet.
Die Nachkriegsjahre waren geprägt von steigenden Absatzzahlen, was Agfa veranlasste, neue Außenstellen in Peiting und Peißenberg in Oberbayern zu errichten. Agfa strebte danach, sämtliche Bauteile und Komponenten in Eigenherstellung herzustellen und konzentrierte sich dabei besonders auf den Absatz von Filmmaterialien. Das Unternehmen hatte eine breite Palette von Kameras, Filmen, Objektiven und Diabetrachtern im Angebot, wobei einfache Bedienung und Komfort im Vordergrund standen.
Eine bemerkenswerte Zusammenarbeit ergab sich mit dem Design-Büro Schlagheck Schultes, das ab 1967 alle Neuentwicklungen für Agfa entwarf. Gemeinsam schufen sie innovative Produkte, die den Ansprüchen der Fotografen gerecht wurden.
Trotz des Erfolgs und der Innovationskraft sah sich Agfa in den 1980er Jahren mit großen Herausforderungen konfrontiert. Die Konkurrenz aus Fernost wurde immer stärker, und Agfa hatte den Markt falsch eingeschätzt. Die Verluste häuften sich, insbesondere im Jahr 1981 mit 226 Millionen DM, und die Entscheidung wurde getroffen, das Kamerawerk in München zu schließen. Die Produktion in Rottenburg an der Laaber und in Coimbra (Portugal) wurde ebenfalls aufgegeben, während die Geräteproduktion in Pieline fortgesetzt wurde.
Der Untergang der Marke Agfa war besiegelt. Die letzten Agfa Optima-Kameras wurden in China unter dem Namen "Qingdao-6" produziert, bevor auch diese Produktion eingestellt wurde.
Heute bleibt nur noch der Name "Agfa" als Erinnerung an ein Unternehmen, das einst die Fotoindustrie maßgeblich geprägt hat. Doch die Kameras und Geräte von Agfa leben weiter in den Sammlungen von Enthusiasten, die die herausragende Technik und das einzigartige Design zu schätzen wissen. Durch die hohe Stückzahl sind gut erhaltene Agfa-Kameras auch heute noch zu moderaten Preisen erhältlich, und sie erinnern an eine Zeit, in der Agfa als führendes Unternehmen galt und Innovationen vorantrieb.